In den Panels und Arbeitsgruppen referierten viele Persönlichkeiten aus der österreichischen und europäischen Gesundheitsbranche. Dieser Bericht ist ein kleiner Ausschnitt des dichten Programms der Alpbacher Gesundheitsgespräche 2016.
Foto © Andrei Pungovschi
Das Europäische Forum Alpbach 2016 rollt einen Teppich gen Zukunft aus: „Neue Aufklärung“ lautet der Schriftzug; das Gesundheitswesen muss alten Staub abschütteln. Die Gesundheitsgespräche vom 21. bis 23. August beschäftigten sich mit dem Schwebezustand der Medizin „zwischen alten Mythen und neuen Möglichkeiten“.
Einen alten Mythos nannte Ursula Schmidt-Erfurth in ihrer Eröffnungsrede am Sonntagabend: den BMI. Wohl etabliert als Gesundheitsindikator, versagt er in wissenschaftlichen Studien.
Ähnlich schwach schneiden etwa 40% der chirurgischen Eingriffe in der Orthopädie ab, kritisierte der finnische Chirurg Teppo Järvinen am Montagmorgen; sie führen entweder zu keiner Verbesserung oder sogar einer Schädigung. Er riet zur Anwendung von ausschließlich evidenzbasierten Verfahren - eine Komponente der neuen Aufklärung in der Medizin.
Objektive Information und Kompetenzen neu denken
Einen Schritt weiter ging Cochrane Österreich Direktor Gerald Gartlehner im Panel „Kompetenzen im ‚aufgeklärten’ Gesundheitssystem neu definieren“: er forderte interessenskonfliktfreie medizinische Information und die Aufklärung der Gesundheitsberufe sowie Patienten. So können wissenschaftliche Studiendaten richtig analysiert und interpretiert werden.
Aus dem Publikum konterte Pharmig-Generaldirektor Dr. Jan-Oliver Huber, das die österreichische Pharmaindustrie sich an einen Compliance-Kodex halte und mit ihrer Expertise zu vielen Forschungserfolgen beitrage.
Wissenschaftlerin Miriam Jenny fügte hinzu: zur Aufklärung der Medizin müsse auch das Wissen anderer Wissenschaften wie Psychologie, Informatik und Soziologie genützt werden. So könne Patientenbetreuung neu gedacht und Kompetenzen zwischen den Gesundheitsberufen neu definiert und verschoben werden.
Einen Tag zuvor hatte der amerikanische Biologe Leroy Hood die therapeutische Zukunft skizziert. Er arbeitet an der Entwicklung personalisierter Genmodifikatoren, welche die genetischen Fehler, die viele Krankheiten verursachen oder begünstigen, korrigieren und so Krankheiten wie Krebs verhindern.
Auf der Grundlage seiner Forschung hat Hood eine eigene Vision der Gesundheitsversorgung formuliert: die P4 Medizin, stellvertretend für prädikativ, präventiv, personalisiert und partizipatorisch. Die Technik soll es möglich machen.
Stichwort Technik: Hoffnung Digitalisierung
Zur neuen Aufklärung gehört auch die Digitalisierung der Medizin. Montagnachmittag stellten 11 Digital Pioneers ihre Projekte vor. Dabei war eine Software, die durch Datenanalyse Entscheidungen für Gesundheitsagenden erleichtert. Entwickelt wird sie an der TU Wien – Unterstützung erfolgt durch wissenschaftliche Institute aber auch Unternehmen wie dem Hauptverband der Österreichischen Versicherungsträger unterstützt werden.
Zum Abschluss der Panels wurde es am Dienstagvormittag politisch: Ärztekammerpräsident Dr. Arthur Wechselberger verteidigte sich gegen die Vorwürfe vom Podium und Publikum, die Berufsvertretung der Ärzte wolle ELGA, die elektronische Gesundheitsakte, mit Negativkampagnen blockieren. Die größte Sorge: IT-Datendiebstahl.
ELGA Geschäftsführerin Dr. Susanne Herbek stellte klar, dass keine unerlaubten Zugriffe auf die elektronische Akte möglich seien und jeder Zugriff dokumentiert werde. In einem Punkt waren sie sich einig: die Patientendaten müssen neu aufbereitet und so für behandelnde Ärztinnen und Ärzte nutzbarer werden. Bisher sind die Daten in verschiedenen PDF-Dokumenten gespeichert